Müslis neue Rolle als Hauskatze

„Hallo, Tante Lahl !

Der kleine Müsli grüßt Dich und die anderen Mitarbeiter des Tierheimes. Na ja, klein bin ich nun nicht mehr. Ich bin jetzt ein hübscher, (sagen zumindest alle die mich sehen), stattlicher, junger Kater der schon viel gelernt hat und wiege schon 6,1 Kg. Aber der Reihe nach.

Nach dem Du mich sozusagen der Wildnis entnommen hattest um mir mein Bein reparieren zu lassen warst Du der erste Mensch den ich in meinem Leben kennengelernt habe. Ich hatte Dich lieb gewonnen und dachte, wir würden ein Leben lang zusammen bleiben. Aber es kam anders.

Die Neuen, denen Du mich anvertraut hast sehen genauso aus wie Du. Nur zwei Beine, kein Schwanz, kein Fell. Dann müssen das auch Menschen sein, dachte ich und hoffte, dass sie auch so lieb zu mir sind wie Du und auf ein schönes, gemütliches Zuhause was ich bisher nur vom hören sagen kannte. Die ganze lange Autofahrt war ich ganz ruhig und habe gegrübelt was mich wohl erwartet. Ich hatte solch ein schiss vor den fremden Menschen und dem was mich erwartet, das ich nicht mal zugehört habe, was die mir alles erzählt haben.

Als wir dann endlich ankamen war ich angenehm überrascht. Mein Frauchen und Herrchen, wie sich meine neuen Menschen nennen, leben in sechs unterschiedlich großen Höhlen und einem Freigehege. Bei denen heißt das Zimmer und Balkon. Wie ich Tage später feststellen konnte steht auf dem Balkon ein super Kratzbaum von dem man eine tolle Aussicht hat.

Zunächst habe ich das aber alles gar nicht registriert. Da ich eine fürchterliche Angst vor allem Neuen hatte, bin ich aus meiner Transportbox raus und in panischer Angst hinter die Anbaureihe geflüchtet. Dort habe ich fast drei Tage ausgehalten und bin nur heimlich zum fressen raus gekommen. Aus heutiger Sicht lache ich über meine Blödheit, aber damals kannte ich nur ein Leben ohne Menschen in der Wildnis.

In einem langen, langen nicht ganz einfachen Prozess, und dieser ist noch lange nicht abgeschlossen, haben wir uns ganz langsam aneinander gewöhnt und Vertrauen aufgebaut. Heute sind wir glücklich miteinander und keiner möchte den Anderen mehr missen. Herrchen sagt immer, wo eine andere Katze 3 Monate zum eingewöhnen braucht, brauche ich 3 Jahre. Ich muss nämlich die Umwandlung von einer Wildkatze zur Hauskatze vollziehen.

Ich habe schon viel gelernt und könnte fast als Hauskatze weggehen. Ich höre auf meinen Namen, flegle mich gern auf der Couch und den Sesseln, benutze diese Möbel gern als Kratzbaum (so sehen sie jetzt auch aus), pule ganz gern die Auslegware aus den Zimmerecken, schaukele gern an den Gardinen und bin auch sonst zu jedem Schabernack bereit. Bei Herrchen habe ich auch schon im Bett geschlafen. Aber in letzter Zeit traue ich mich das nicht mehr. Wenn der eingeschlafen ist, schnarcht der wie ein Bär und da bekomme ich Angst und haue lieber ab. Ansonsten bin ich trotz meines Alters noch sehr verspielt. Herrchen und Frauchen lassen sich immer neue Sachen einfallen. Streicheln und auf den Arm nehmen lasse ich mich auch schon (dafür mussten die Alten aber etliche Kratzer hinnehmen), kann Türen aufmachen und klopfen wenn ich vom Balkon rein will und wenn ich möchte darf ich mir auch Tierfilme im Fernsehen anschauen. Nur mit dem Kuscheln klappt das noch nicht. So viel Nähe mag ich im Moment noch nicht.

Die Verpflegung ist auch super. Fressen hat sich bei mir in letzter Zeit irgendwie zum Hobby entwickelt aber ich bin ja noch im wachsen und da darf man das. Viermal am Tag gibt es eine Tüte Felix. Das Lernen ist natürlich nicht umsonst, dafür verlange ich Leckerlis, dass klappt auch ganz gut. Frauchen sagt immer, pass auf dass er nicht so dick wird wie Paulchen. Ich kenne den zwar nicht aber ich muss jede Woche einmal auf die Waage zu Gewichtskontrolle. Drei Monate hat Herrchen gebraucht um mich dahin zu kriegen. Viele Kratzer auf seiner Haut und ein hoher Verbrauch an Leckerli waren die Folge aber jetzt läuft das problemlos.

Bei Herrchen im Zimmer hängt ein Bild von einem Kater an der Wand der fast so aussieht wie ich, nur um ein vielfaches Dicker. Gegenüber dem sehe ich aus wie ein Hungerleider. Die müssen sich aber trotzdem alle sehr gern gehabt haben, zumindest kann ich das den Gesprächen entnehmen. Mit diesem Kater, oder besser mit seiner Seele, habe ich nachts oft gesprochen und mir Tipps für mein künftiges Verhalten geben lassen. Seine Hinweise und Tipps haben mir sehr geholfen um mich hier einzuleben und um zu wissen was die Menschen von mir erwarten. Auch sonst waren die Gespräche sehr nützlich, er hat mir auch aufgezeigt wie man zu Leckerlis kommt, wie man die Menschen um die Pfote wickelt, wie man seinen Willen durchsetzt und wie man Herrchen und Frauchen auch mal ärgern kann. Er war halt ein erfahrener, alter Haudegen von dem ich junger Hüpfer nur lernen kann. Nicht umsonst sagen sie wohl immer, der ist wie Paulchen.

Letztens sollte ich zum Tierarzt, Krallen schneiden. Diese Aktion musste leider ausfallen. Wäre Frauchen Herrchen nicht zu Hilfe gekommen hätte ich ihn in der Transportbox gehabt, ha, ha. Soweit sind wir nun auch noch nicht, dass ich mich gegen meinen Willen zum Arzt schleppen lasse. Nun dachten ja meinen Menschen, sie wären schlau und haben den Tierarzt einfach nach Hause bestellt. Leider musste ich dem Herrn klar machen, auch ein kleiner Kater hat Kraft und ist schnell. Ich lass mich doch nicht von jedem befummeln und so musste er unverrichteter Dinge wieder abziehen. Dann kam die Krönung, er wollte eine Woche später die Aktion mit Betäubung wiederholen. Es kam aber nur ein Anruf von ihm, Krallenschneiden fällt aus, habe mir einen Finger gebrochen. Ich habe mich fast totgelacht, es gibt doch noch Gerechtigkeit. Vielleicht hat auch mein Kumpel Paule im Katzenhimmel nachgeholfen. Es soll ja so was geben.

Eine Sache muss ich Euch noch erzählen. Von Anfang an hegte ich Fluchtgedanken (heute natürlich nicht mehr, jetzt bin ich froh, dass ich hier bin). Am 29.08.19 war es soweit. Ich war allein auf dem Balkon. Vom Kratzbaum aus zerschnitt ich mit meinen messerscharfen, langen Krallen das Netz vor dem Balkon und mit einem kühnen Sprung rettete ich mich auf das benachbarte Fensterbrett. Dummerweise war unter diesem Fenster der Kellerausgang und ich habe mich nicht getraut in dieses große, tiefe Loch zu springen. Zu allem Übel stand auch noch Herrchen auf dem Hof und hat mich dort sitzen sehen. Sein dummes Gesicht hättet Ihr sehen sollen. Der hatte seine Augen soweit rausgeschraubt, die hätte ich ihm glatt mit der Pfote abhauen können. Was ich allerdings nicht geglaubt hätte, wie schnell mein altes Herrchen noch ist. Innerhalb von wenigen Sekunden war der wieder in der Wohnung, hat das Fenster aufgerissen, mich am Kragen gepackt und reingezerrt. Damit war mir klar, Fluchtversuch gescheitert. Jetzt hatte ich natürlich Angst vor Mecker und Sanktionen aber nichts geschah.

Im Gegenteil, ich hatte den Eindruck die waren froh, das es nicht geklappt hat. Das Einzige, der Kratzbaum wurde in die Mitte vom Balkon gestellt, so dass ich das Netz nicht mehr erreichen kann. Wie immer, erst hinterher habe ich mal darüber nachgedacht und bin froh dass es nicht geklappt hat. Stellt Euch mal vor, draußen ganz allein, kein Futter, keine Leckerli, kein Bett, keine Menschen die man ärgern oder mit denen man Spielen kann. Das wäre doch furchtbar.

Merkt Ihr was? Aus mir spricht schon ein bisschen die Hauskatze.

So, Ihr Lieben das wäre der Stand nach einem halben Jahr. Die Zusammenfassung lautet, ich bin angekommen und mir geht es gut. Das Gleiche hoffe ich auch von Euch. An meiner Hauskatzenrolle muss ich natürlich noch weiter arbeiten.

In der Anlage schicke ich Euch noch ein paar Bilder mit. Übrigens, Ihr könntet mich ja mal besuchen. Mal sehen ob Ihr mich noch erkennt. Jeder der hier zu Besuch kommt sagt, ein hübscher Kater, dem guckt der Schalk aus den Augen. Hoffentlich werde ich nicht eingebildet.

Solltet Ihr mal Langeweile haben, könntet Ihr Euch ja auch telefonisch melden.

Viele liebe Grüße,

Müsli“

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Categories: Vermittelte Tiere